Humboldt-Universität zu Berlin - August-Boeckh-Antikezentrum

Barthold Georg Niebuhr

Barthold Georg Niebuhr

* 27. 08. 1776 in Kopenhagen

† 02. 01. 1831 in Bonn

 

Althistoriker

 

Barthold Georg Niebuhr (Sohn des bekannten Orientreisenden Carsten Niebuhr) studierte in Kiel einige Semester, hauptsächlich Philosophie. Noch ehe er einen Abschluss erworben hatte, trat er jedoch in den dänischen Staatsdienst ein. 1806 wechselte er in den preußischen Staatsdienst, aus dem er 1810 wieder ausschied, wegen unüberwindlicher Differenzen mit dem Staatskanzler Hardenberg. Niebuhr wurde statt dessen königlicher Historiograph in Berlin und erhielt zugleich die Möglichkeit, an der neugegründeten Universität Vorlesungen zu halten. Von 1810 bis 1813 las er über römische Geschichte und wurde 1811 dafür promoviert. Die Ausarbeitung dieser Vorlesungen wurden 1812 in zwei Bänden Römische Geschichte veröffentlicht.

1813 kehrte Niebuhr in die Politik zurück; er war zunächst als preußischer Unterhändler in diversen diplomatischen Angelegenheiten tätig, ab 1816 dann als preußischer Gesandter am Heiligen Stuhl in Rom. Von 1825 bis zu seinem Tode 1831 lehrte er an der Universität Bonn.

Obwohl Niebuhr nur in wenigen kurzen Phasen seinen Tätigkeitsschwerpunkt in die Wissenschaft legte, ist sein Verdienst um die Geschichtswissenschaft kaum zu überschätzen. Niebuhr gilt als Mitbegründer der philologisch-kritischen Geschichtswissenschaft: Er stellte als einer der ersten die Frage nach dem Quellenwert der antiken Texte in den Mittelpunkt seiner Forschung. Dabei erkannte er, dass insbesondere die antiken Berichte über die römische Frühzeit (die jeweils einige Jahrhunderte nach den geschilderten Ereignissen entstanden sind) von einem derart fiktional-literarischen Charakter sind, dass sich eine Ereignisgeschichte im Sinne von „wie es wirklich war“ für die betreffenden Epochen gar nicht schreiben lässt.

Dies hatte weitreichende Folgen für die Wahrnehmung der Antike in der Gesellschaft insgesamt: Insbesondere die Gestalten der römischen Königszeit, die bis dahin oft als moralische Vorbilder (bzw. deren Gegenteil) genutzt worden waren, verloren sämtliche Historizität und wurden in den Bereich der Sage verbannt. Die Idealisierung der Antike als Ganzes, im Neuhumanismus noch unbestritten, geriet ins Wanken.

Niebuhr leistete damit entscheidende Vorarbeiten für den Historismus des 19. und 20. Jahrhunderts (unter anderem vorangetrieben von Leopold von Ranke und Wilhelm Dilthey), der die Geschichtswissenschaft als eine hermeneutische Wissenschaft etablierte.