Paris 2013
Das zweite interdisziplinäre Exkursionsseminar nach Paris in den Louvre fand Ende Juli 2013 statt. Die Vorbereitung der Exkursion erfolgte in regulären Sitzungen während des Sommersemesters sowie in Blockseminaren in der vorlesungsfreien Zeit.
Vom 5. bis zum 10. August 2013 ist eine Gruppe von 16 Studierenden und Doktoranden nach Paris gereist, zu einer Exkursion mit dem Thema: „Antike und Antikerezeption im Musée du Louvre“. Anregung für diese Exkursion war die erste ABAZ-Exkursion im Jahr zuvor, die in die Vatikanischen Museen nach Rom führte. Während 2012 ein Team von Lehrenden der HU die Exkursion organisierte, wurde die Exkursion diesmal in Eigenregie vom ABAZ-Studierendenkolleg durchgeführt, mit freundlicher Unterstützung des ABAZ selbst.
Inhaltlich wurde der rote Faden der ersten Exkursion wieder aufgenommen: Antike und Antikerezeption, untersucht an Objekten vor Ort. Ein Schwerpunkt bildete diesmal die Frage, welche Bedeutung die im 18. Jh. entstehende Institution des Museums für die moderne Sicht auf die Antike hat. Das 1793 in Folge der Revolution gegründete Musée du Louvre bot sich hier besonders an. Die Geschichte des Louvre bildete folgerichtig ein Thema der Exkursion und des vorbereitenden Seminars. Zunächst eine Festung der Könige Frankreichs durchlief das Schloss zahlreiche Umbauten und erhielt erst im 19. Jh. unter Napoleon III. sein ‚klassisches‘ Aussehen. Die Sammlung, die das Museum heute beherbergt, nahm ihre Anfänge u.a. in der Antikensammlung des Renaissance-Königs Franz‘ I.
Bau- und Sammlungsgeschichte wurden eingerahmt von theoretischen Überlegungen zum Museum – was ist ein Museum, und was soll es sein? – und methodischen Überlegungen zu den Möglichkeiten der Bilddeutung. Wie lassen sich materielle Hinterlassenschaften historisch deuten und welchen Einfluss nimmt die Museumskonzeption auf unsere Wahrnehmung? Die Anordnung der behandelten Objekte ging von der Annahme aus, dass eine besondere Möglichkeit eines Kunstmuseums wie dem Louvre der direkte und epochenübergreifende Vergleich ist.
In diesem Sinn waren die etwa 60 ausgewählten Objekte nach sechs Themenkreisen geordnet: (1) „Menschenbild– Porträt“, (2) „Der Herrscher“, (3) „Politische Botschaft – Propaganda“, (4) „Venus (Frauenbild)“, (5) „Mythos“ und (6) „Antike im Bild“. Das älteste Objekt war die Darstellung eines ägyptischen Schreibers aus dem alten Reich (ca. 2620-2500 v. Chr.). Das jüngste Objekt Das türkische Bad von Ingres (1862-1863). Die epochenübergreifende Einteilung der Objekte stellte sich als eine interdisziplinäre Herausforderung heraus, lohnte sich jedoch gerade vor Ort. Vorbereitet durch Textlektüre und Objektreferate im vorbereitenden Seminar ließen sich vor dem Objekt stehend immer wieder Vergleiche ziehen, oder umgekehrt implizite Vorannahmen in Frage stellen.
Besonders gut fassen ließ sich in diachroner Perspektive der inhaltliche Wandel antiker Stoffe. Ein plakatives Beispiel ist die Aphrodite/Venus von Milo. Die Marmorplastik wurde zuerst in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. auf der ägäischen Insel Melos im Gymnasion aufgestellt. Dort 1820 wiederentdeckt wurde das Bildnis bereits kurz darauf zu einer Attraktion des Louvre – bis heute. Ursprünglich ein Objekt kultischer Verehrung, wird die milesische Venus heute gerne als Abbild weiblicher Schönheit betrachtet (und entsprechend häufig fotografiert). Und während Archäologen zahlreiche Thesen zur Rekonstruktion der unvollständigen Figur vorlegen, ergibt sich für den fachfremden Betrachter vielleicht gerade aus der geheimnisvollen Unvollständigkeit der besondere Reiz, ‚entkleidet‘ sie die dargestellte Weiblichkeit doch gerade ihrer kulturell bedingten Zeitlichkeit. Andere Transformationen durchlief eine göttliche Verwandte, die Artemis/Diana. Ist Artemis auf dem ‚Niobiden-Krater‘ (ca. 460-450 v. Chr.) noch eine respektheischende Bogenschützin, welche die Hybris einer Sterblichen grausam straft, wird sie im Bild von Boucher (1742) zu einer erotischen Schönheit, die der Betrachter verstohlen, doch in Sicherheit, nach dem Baden beobachten darf.
Der Zeitplan der Exkursion bot ein dichtes Programm. Am ersten Tag, Montag, dem 5.8, bezogen wir nach der Landung zuerst unsere Jugendherberge, um anschließend notwendige Einkäufe zu tätigen und die Stadt zu erkunden. Am Dienstag, dem 6.8., stand dann ein ganztägiger „Stadtspaziergang“ auf dem Programm. Von den antiken Anfängen bis in das Paris des 19 Jhs., das Paris Haussmanns, wurde die Stadtgeschichte an ausgewählten Stationen nachvollzogen. Besonderes Augenmerk lag hier auf der Architektur des Louvre sowie monumentalen Antikenbezügen, besonders greifbar in den klassizistischen Kirchen (Pantheon, Madeleine) und Bogenmonumenten (Arc de Triomphe).
Es folgten drei lange Tage im Louvre, vom 7. bis zum 9.8. Bewährt hat sich dabei das Prinzip, die erste Hälfte des Tages als ganze Gruppe (16 Personen) zu verbringen und in der zweiten Hälfte wechselnde Kleingruppen (5-6 Personen) zu bilden, die jeweils verschiedene Themenblöcke bearbeiteten. Die Nachmittage in den kleinen Gruppen regten nicht nur die Diskussion an, sondern erlaubten auch eine individuelle Planung der Laufrouten und mehr Flexibilität, gemeinsam weitere Stücke zu besprechen, die nicht im Programm vorgesehen waren. Zum Thema Laufrouten: die thematische Gliederung der Objekte, die sich inhaltlich bewährte (s.o.), stellte konditionell eine Herausforderung dar, da uns unsere Vergleiche quer durch die Sammlung führten. Trotz Bemühungen, die Route zu optimieren blieb es nicht aus, dass wir mehr als einmal pro Tag den Flügel wechselten und so sicher einige Kilometer zurücklegten. Immerhin wurden wir darüber zu echten Kennern der Räumlichkeiten.
Der Vormittag des Abreisetags, der 10.8., war jedem freigestellt, so dass alle Gelegenheit hatten, weitere Sehenswürdigkeiten wie etwa Saint-Denis, das Musée du Cluny oder den Eiffel-Turm zu besuchen. Um 19.30 saßen wir dann im Flieger zurück nach Berlin, im Gepäck vielfältige Eindrücke und Anregungen. Nach allgemeinem Eindruck der Beteiligten war die Exkursion auch in diesem Jahr ein voller Erfolg. Und so bleibt zu hoffen, dass sich auch in Zukunft Möglichkeiten zu solchen außergewöhnlichen und anregenden Unternehmungen ergeben werden.