Humboldt-Universität zu Berlin - August-Boeckh-Antikezentrum

Werner Jaeger

Werner Jaeger

* 30. 07. 1888 in Lobberich (Niederrhein)

† 19. 10. 1961 in Cambridge, MA

 

Klassischer Philologe

 

Werner Jaeger studierte Philosophie und Klassische Philologie in Berlin, unter anderem bei Hermann Diels und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. 1911 wurde er mit einer Arbeit über Aristoteles summa cum laude promoviert.

Wilamowitz wurde Jaegers Mentor und Freund, und Jaeger nahm regelmäßig an den Gesprächsrunden mit anderen Studenten in Wilamowitz’ Haus teil.

1913 habilitierte sich Jaeger in Berlin mit einer Schrift über den griechischen Philosophen Nemesius von Emesa. 1914 erhielt er einen Ruf nach Basel, bereits 1915 wechselte er als ordentlicher Professor an die Unversität Kiel. Dort wurde Jaeger im November 1918 Augenzeuge des Matrosenaufstandes, der die „Novemberrevolution“ auslöste.

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war Jaeger sehr besorgt über die politisch-gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland. Er sah große Gefahren im wachsenden Materialismus und Militarismus, in der „Entfremdung von der Kultur“ und „Vernichtung der geistigen Individualität“.

1921 wurde Jaeger als Nachfolger seines Mentors Wilamowitz-Moellendorff an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin berufen. Dort setzte er sich vehement für die geistig-moralischen Werte des Humanismus ein, speziell für den Erhalt des altsprachlich-humanistischen Gymnasiums. Dieses Bestreben, dem sich bald auch andere Wissenschaftler anschlossen, erhielt früh den Namen „Dritter Humanismus“ (nach dem Renaissance-Humanismus und dem Neuhumanismus).

Jaeger war sehr aktiv in der Förderung der Wissenschaftsgemeinde: Unter anderem gründete er gemeinsam mit Emil Kroymann 1925 den Deutschen Altphilologenverband, sowie ebenfalls 1925 die Rezensionszeitschrift Gnomon. Wie sein Mentor Wilamowitz lud Jaeger regelmäßig Kollegen und Studenten zu sich nach Hause ein.

In der Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus verhielt sich Jaeger insgesamt eher unpolitisch. Es wurde jedoch ab 1933 schnell immer deutlicher, dass der Dritte Humanismus unter dem neuen Regime unerwünscht war. Jaeger knüpfte Kontakte in die USA; 1936 wurde er auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst entlassen und emigrierte mit seiner Familie nach Amerika.

Jaeger lehrte zunächst an der University of Chicago und ab 1939 an der Harvard University, am neugegründeten Institute for Classical Studies. Dort blieb er bis über seine Emeritierung hinaus tätig.

Jaegers Verdienst um den Dritten Humanismus und die Altertumswissenschaften findet stärksten Ausdruck in seinem Hauptwerk, dem dreibändigen „Paideia. Die Formung des griechischen Menschen“, dessen erster Band noch 1934 in Deutschland erschien (die folgenden beiden in Harvard). Die darin niedergelegten Ideen und Ansichten prägen die Antikeforschung bis heute.